Touren Berichte Hilfe
Login

Überschreitung Hoch Seewen

Trotz Stau vor dem Gotthardloch trafen wir alle pünktlich um 9.00 beim Parkplatz Gorezmettlen ein. Alle? Nein, zwei Bachtelianer hatten sich bereits ins Abenteuer Amarone gestürzt. Aber wir vom SAC Bachtel sind ja tolerant. So zogen wir also zu viert los zur Sewenhütte und gleich weiter Richtung zweiter Westgratturm des Sewenhorns.
Auf dem Znünistein stärkten wir uns noch für die bevorstehende Kletterei. So imposant die Epp-Verschneidung auch über uns thronte, so ist sie auch nicht ganz einfach zu klettern. Und mach einer von uns ist nur deshalb nicht in den sicheren Tod gestürzt, weil noch die Kraft eines Snickers in ihm wirkte.
In zwei wunderschönen Seillängen gelangten wir an die gigantische Verschneidung. Wobei vor allem in der zweiten Seillänge eine plattige Stelle einen beherzten Vorstieg forderte.
Von nun an folgten wir in drei weiteren Seillängen dieser unverschämt griffigen Verschneidung. Ganz ohne Murks piazten und stemmten wir uns dem Gipfel entgegen.
Nach dem obligaten Gipfelfoto machten wir uns an den Abstieg. Am halblangen Seil kletterten wir über den messerscharfen Westgrat, bis wir bei der grossen Scharte auf die andere Seite schlüpfen konnten und durch das folgende Couloir den Wandfuss erreichten. Nun gings in saloppem Trab dem Hüttenbier entgegen.
Auch die zwei Ausreisser stiessen bald zu uns. Und spätestens nach dem sie uns zum Abendessen eine Flasche Rotwein ausschenkten, hatten wir sie wieder gern. Passend zu ihrem Amarone-Abenteuer wählten sie einen dunkelroten Ripasso aus. Wie jeder weiss, wird Valpolicella auf Amarone-Trester gelegt, um daraus Ripasso zu gären. Dieser war ziemlich frühreif, aber schon von Charakter! Er hatte ein starkes Rückgrat aus Nussbaum und Heidelbeere. Kokett, aber auf eine erdige, ehrliche Art. Ein Echo aus Bärendreck hallte lange am Zäpfchen nach und seilte sich dann tief in die Speiseröhre ab. Ein Reifeton, der schmeckte wie eine alte Geige, die ein vertrautes Wiegenlied spielt. Da war Neuschnee. Kerzenwachs. Mürbeteig. Wenig Finesse, dafür eine burschikose Säure, die etwas breitschultrig war in den Kanten, aber korrekt ins Holz nagelte. Der Körper hatte Volumen, aber ich wollte ihn nicht als dick, sondern eher als schlank und vollbusig bezeichnen. Der Wein schmeckte also vorzüglich.

Nach dem Schmaus schmiedeten wir einen Plan für unsere Heldentat des folgenden Tages. Am Hoch Seewen Südgrat wollen in über 20 Seillängen 6 Türme überklettert werden, bevor man vor der Gipfelwand steht. Man munkelt, dass dort unzählige Gefahren lauern, sodass es einem eiskalt über den Rücken läuft, wenn man bloss daran denkt. Dies ist also kein leichtes Unterfangen.
Im Schlafzimmer erwartete uns eine kleine Überraschung. Wir teilten das Zimmer mit einem Deutschen, der, weil er zu spät kam, bei seiner Gruppe keinen Platz mehr im Zimmer hatte. Vorzustellen brauchte er sich nicht. Wir merkten alle, dass da noch jemand war. Er schnarchte uns mit seinem voluminösen Bariton in wilde Träume.

Um vier Uhr morgens, draussen war es noch zappenduster, genossen wir das reichhaltige Frühstück, welches uns Walti servierte. Wenig später zottelten wir dann los, an der alten Hüttenruine vorbei, über ein pickelhartes Schneefeld und zuletzt über Felsplatten zum Einstieg des Hoch Seewen Südgrates.
Gleich in der ersten Seillänge durfte man richtig zupacken. Steil und griffig starteten wir in unser wildes Abenteuer. Die zweite Seillänge war nicht minder beeindruckend. Zudem musste jeder Griff und Tritt getestet werden. Den ein Sturz in diesem Gelände hätte lästige Folgen. Nach dem knackigen Einstieg führten ein paar Seillängen, in denen sich Kletterei mit Gekraxel abwechselte, auf den ersten Turm.
Auf der anderen Seite kletterten wir in die Scharte ab und griffen sogleich den zweiten Turm an. Nun folgte ein Feuerwerk aus Rissen, Verschneidungen, Kanten und Hangelschuppen. Turm zwei, drei und vier lieferten allesamt Kletterei der Extraklasse und das ausnahmslos in allerfeinster Felsqualität. Ab und an wies uns ein Bohrhaken den Weg. Dazwischen durfte man fleissig Friends, Keile und Schlingen legen.
Die letzte Seillänge an Turm vier war dann mit ihrem plattigen Charakter auch die Schwierigste. Vom vierten Turm wurde wiedermal abgeklettert, wobei die abzukletternde Strecke nach jedem Turm etwas länger wurde.
Derweil standen wir vor der roten Bastion. Dem bisher gewaltigsten Turm. Steil und abweisend wachte er vor uns wie ein versteinerter Gigant. Unbezwingbar scheint diese Mauer aus rotem Gneis. Zuerst kletterten wir steil an Schuppen und zuletzt mit einem beherzten 'Hauruck' zum Stand auf dem grossen Band, welches die rote Bastion im unteren Teil durchzieht. Darauf folgte eine schwindelerregende Seillänge im vierten Bierhenkelgrad. Manchmal eröffnen sich in der Vertikalen erstaunliche Wege.
Somit kamen wir am letzt möglichen Umkehrpunkt an. Wer dort nicht umdreht, kann nur noch über den Gipfel aussteigen. Wir kletterten natürlich weiter.
Vom fünften Turm mussten wir einen überhängenden Felsabbruch abseilen. Den folgenden Turm liefen wir am kurzen Seil hoch bis zu einer schmalen Scharte im Fels. Das Gelände hier war brüchig wie auf einem bündner Skitourenberg. Doch bereits die nächste Seillänge begeisterte wieder mit vorzüglicher Felsqualität und führte uns auf den sechsten Turm, auf dessen Spitze eine schmale Nadel gegen den Himmel reckt. Auf der abgewandten Seite forderte uns die letzte und auch längste Abkletterei. Der Tourenleiter legte für die folgenden Seilschaften die Zwischensicherungen, da dort die Placements rare und versteckt waren.
Die zwei letzten Seillängen in der Gipfelwand liessen uns noch einmal jubeln vor Genuss. Hier durfte man noch einmal richtig zupacken.
Überglücklich erreichten wir etwa eine Stunde nach Mittag den Gipfel, wo wir ausgiebig rasteten und uns gegenseitig zu unserer Heldentat gratulierten.
Über den Nordgrat stiegen wir, zwischen halblangem und kurzem Seil wechselnd, in rekordverdächtiger Zeit ab. Einen abweisenden Gendarmen umgingen wir entlang eines Fixseiles auf der Westseite. Und einige Meter später standen wir auch schon auf dem Seewenzwächten, oder was davon noch übrig ist. Sieht man, wie zahlreich die Gletscherschliffplatten aus dem Schnee ragen, kann man kaum glauben, dass da irgendwo noch etwas Eis sein soll.
Rutschend und jauchzend fuhren wir über die Schneefelder ab, bis wir den Wanderweg erreichten.
Zurück bei der Sewenhütte kosteten wir noch einmal von den vorzüglichen Kuchen und stiessen auf unsere gelungene Tour an.

Mit dabei waren Angela, Stefan, Patrick, Fredy, Severin und Nino
Tourenbericht von Nino Flück
Fotos von allen Teilnehmenden.

Alle Rechtschreibefehler wurden mit Absicht platziert und ergeben in der richtigen Reihenfolge das Rezept um Bier zu brauen.